Politik und Demokratie im Web 2.0 – ein Bericht von der Socialbar

Die schönste Sozialbar war oben im ersten Stock des taz-Cafés zu besichtigen, von den meisten Teilnehmern der Socialbar, die im selbigen Café gestern stattfand, leider nicht gesehen: ein Foto von einem Konferenztisch, darum ein Dutzend splitternackte Autonome. Die zugehörige Bildunterschrift erklärte, dass an dem Konferenztisch neben der Gründung der taz auch viele andere denkwürdige Ereignisse linker Geschichte stattfanden, bevor er von Potsdamer Hausbesetzern entführt und verbrannt wurde.

Die Socialbar selbst war etwas friedlicher, auch wenn gelegentlich Sätze wie „den Konflikt eskalieren lassen“ und „die Politiker an ihrer verwundbarsten Stelle, in ihrem Wahlkreis, treffen“ durch die Luft schwebten. Die regelmäßig stattfindende Socialbar soll einen persönlichen Erfahrungsaustausch zwischen Internetspezialisten und zivilgesellschaftlichen Akteuren ermöglichen.

Dank den Organisatoren (inbesondere danke an Sophie von Fairdo) war eine bunte Mischung an Web-Aktivisten zusammengekommen, und auch ein paar andere Nachhaltigkeitsblogger wie Andrea von Alles-Was-Gerecht-Ist waren vor Ort.

Die beiden Vorträge haben gezeigt, dass sich sowohl die Protestbewegung als auch die Partizipationsbewegung vermarkten lassen kann. Nicht im Sinne von „ihre Ideale verkaufen„, sondern im Sinn von dass man davon leben kann, Demokratie übers Internet zu organsieren.

Campact

Der erste Vortrag handelte von Campact, einer kleinen Berliner Firma, die Internet-Kampagnen organisiert. Die Themen sind sehr bunt, aber überwiegend im linken Spektrum angeordnet: Gentechnik, Atomkraft und Migration.

Günther Metzger vom campact erklärte in seinem Vortrag, warum Massen-Email-Kampagnen nicht mehr funktionieren und warum es notwendig ist, die Abgeordneten direkt und in ihrem Wahlkreis anzusprechen. Die Atomkraft-Kampagne zum Beispiel fordert auch auf, Anzeigen in der taz zu finanzieren. Ich frag mich allerdings, ob man damit nicht schon diejenigen erreicht, die das Kampagnenziel eh schon unterstützen.

Sehr interessant ist, dass Campact auch offline-Kampagnen organisiert, zum Beispiel im Rahmen der bayerischen Landtagswahl eine Kampagne, die sich an die Fersen von Verbraucherschutzminister Seehofer heftet und so direkt die mediale Aufmerksamkeit durch den Wahlkampf nutzt, um politische Themen zu besetzen.

Leider ist Campact noch nicht so richtig im Web 2.0 angekommen. Es gibt zwar ein Blog, aber Kommentare, Pingbacks und Trackbacks sind nicht erlaubt. Beim Testen des hauseigenen Social-Networks mycampact gab es leider technische Probleme mit den Cookies. Dennoch hat Campact durchaus die Möglichkeit, sich zu einem Moveon.org zu entwickeln. Dazu müsste aber die Marke Campact viel stärker in den Vordergrund gestellt werden und man müßte auch versuchen, Inhalte in den Massenmedien (Fernsehen, große Tageszeitungen) zu platzieren.

Zebralog

Der zweite Vortrag auf der Socialbar wurde von Zebralog gehalten, einer Agentur, die Partizipationsprozesse moderiert. Zebralog hat in Berlin zum Beispiel den Dialog zur Zukunft des Tempelhofer Flughafens und des Lichtenberger Bürgerhaushalts moderiert, der nach dem Vorbild des Bürgerhaushalts in Porto Alegre angelegt war.

Der Vortrag von Matthias Trenel war sehr interessant (auch wenn er bei Slideshare nicht mehr erreichbar ist), weil er aufzeigte, wie mit Hilfe des Internets und guter Moderation Bürger aktiv in den Gestaltungsprozess von Politik einbezogen werden können.

Vorschläge für die nächste Socialbar

Die Vorträge der Socialbar waren aber etwas lang, schöner wäre es gewesen, wenn man in 90 Minuten vier kurze 10-MinutenVorträge präsentiert hätte, dann zwei-drei kurze Fragen, dann zum nächsten Thema.

Wer könnte da präsentieren? Ich denke, Martin Wilke, der sich für die Volksbegehren von Mehr Demokratie! e.V. in Berlin einsetzt und auf seinem Blog „Demokratie von unten“ über den Stand der Initiativen berichtet, wäre ein guter Referent.

Interessant wäre es auch, Christian Hochhuth von idemokratie, und Ute Pannen (Blog auf Apparent Politics) von den Netzdemokraten, einzuladen, die dann von ihren Plänen für den Wahlkampf 2009 im Web 2.0 berichten könnten.

Bin sehr gespannt, auf die nächste Socialbar am 7.10. in Berlin.

One thought on “Politik und Demokratie im Web 2.0 – ein Bericht von der Socialbar

  1. wenn’s irgendwie geht bin ich am 7.10. auch dabei…lebe zwar in wien, habe aber am 13.10. buchpräsentation im berliner radialsystem V (http://unsdiewelt.com/events, bitte gerne weitersagen!) und versuche auf dieser webseite auch gerade eine vernetzungsplattform – vor allem für jugendliche – aufzubauen…anregungen und kritik herzlich willkommen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert