Interview mit Martin von Coffee Circle

http://www.coffeecircle.com/media/Fotos/3_Unsere_Kaffees/Kaffee_beurteilen/coffee-circle-packungen_klein.jpgInspiriert von der eigenen Lust am verantwortungsvollen Kaffeekreislauf und einem Coffee Tasting-Workshop in der Berliner stiftung neue verantwortung haben wir Martin Elwert, einen der Geschäftsführer des derzeit hochgelobten Kaffee-Startups Coffee Circle, zu einigen Aspekten ihres Geschäftsmodells befragt.

Die Nachhall-Texter befragen Coffee Circle…
…zur Geschichte hinter Coffee Circle
Nachhall-Texter: Ihr kommt ursprünglich aus unterschiedlichen Branchen, die aber nichts mit Kaffee zu tun haben. Wie entstand die Idee, gemeinsam Coffee Circle (CC) zu starten?
Martin: Ja, wir waren alle drei Unternehmensberater und hatten gar nichts mit Kaffee zu tun. Aber Moritz war schon seit längeren Jahren in Äthiopien aktiv. Er hat dort mit seinem Bruder ein College für Waisenmädchen gebaut. In dem Rahmen war ich mit ihm das erste Mal in Äthiopien. Dort hatten wir dann die Idee für Coffee Circle, super Kaffee und direkte Entwicklungshilfe zu kombinieren.

Auf Eurer Website bezeichnet Ihr Euch als „Pioniere einer neuen Art des Handels“. Könnt Ihr das Innovative an Eurem Geschäftsmodell in einem Satz erläutern?
Ein Satz ist schwierig, gib mir zwei. Im Unterschied zu den allermeisten bekannten Kaffeeverkäufern kaufen wir unseren Kaffee persönlich bei Kaffeekooperativen in Äthiopien ein, wissen deshalb genau, woher der Kaffee stammt und können beste Qualität sichern. Im Verkauf verlassen wir uns nicht auf ineffiziente und intransparente Siegel des fairen Handels, sondern setzen mit dem gesammelten 1 EUR pro Kilogramm verkauftem Kaffee selbst unsere eigenen Entwicklungsprojekte vor Ort um – 100% transparent und mit mehr als der dreifachen Wirkung als andere.

Social Business ist momentan ein allgegenwärtiger Begriff. Würdet Ihr CC unter diesem Geschäftskonzept einordnen, und wenn ja, wieso?
Ja, das würden wir auf jeden Fall. Es gibt verschiedene Definitionen von Social Business. Wir sehen uns als Social Business, weil unsere soziale Wirkung direkt in das Geschäftsmodell integriert ist und wir einen erheblichen Teil unserer Marge selbst in Entwicklungsprojekte investieren.

…zur Verantwortung für die Produzenten
Das Business-Konzept von CC erinnert an Fair Trade. Ihr habt Euch jedoch entschlossen, ohne Zertifizierungen durch Labels zu arbeiten. Wie überzeugt Ihr Eure Kunden davon, dass Ihr dennoch Verantwortung tragt für die Menschen, die an der Wertschöpfungskette Eures Produkts beteiligt sind?
Wir haben uns bewusst gegen die gängigen Siegel entschieden, weil sie veraltet, ineffizient und vor allem intransparent sind. Ein Großteil der Gelder bleibt in der Verwaltung und versickert in den Ursprungsländern. Es war ein gutes System – vor 30 Jahren. Aus unserer Sicht ist es überholt. Deshalb haben wir uns entschlossen, es modern zu machen. Transparenz durch Bilder und Videos, Authentizität unserer Kommunikation und die Möglichkeit, dass die Kunden beim Kauf online selbst bestimmen, welches Projekt sie unterstützen, sind die Basis für das Vertrauen unserer Kunden in uns bzw. die Marke Coffee Circle. In unserem Modell braucht man deshalb kein „Vertrauenssiegel“.

Wie haben die Kaffeebauern auf Eure Idee reagiert?
Gute Frage. Das war in der Tat auch ein großes Fragezeichen, als wir das erste Mal für Coffee Circle in Äthiopien waren. Zu Beginn waren sie skeptisch, weil sie schon viele Menschen mit guten Ideen kommen und gehen sahen. Dann, als wir nach den ersten Verkäufen vor Ort waren, um unser erstes Projekt umzusetzen, waren sie schlicht beeindruckt und unglaublich glücklich. Seitdem haben wir viel vor Ort bewegt. Sie lieben unser Konzept und versuchen deshalb jedes Jahr noch bessere Qualität anzubauen.

…zur Zukunft von Coffee Circle
Ihr habt finanzkräftige Investoren an Bord, die natürlich auch am Wachstum des Unternehmens interessiert sind. Euer Geschäftsmodell kann (unserer Meinung nach) jedoch nur bis zu einem bestimmten kritischen (Wachstums-)Punkt erfolgreich sein. Wie wollt Ihr Euren “Charme des Kleinen” und Eure Glaubwürdigkeit in Zukunft beibehalten? Anders gefragt: Wäre Euer Business-Konzept auf Kaffeeriesen wie Mellitta oder Tchibo skalierbar?
Das ist eine sehr spannende Frage, die ich nur zum Teil beantworten kann. Der Kaffeemarkt in Deutschland ist in Bezug auf Kaffeequalität extrem mies. Die genannten und andere Großröster liefern sich seit Dekaden wilde Preiskämpfe, die zu absoluter Verdrängung des Wortes Qualität führten. Doch seit kurzem wächst ein Spezialitätensegment heran, hauptsächlich aus den USA, Japan und Skandinavien kommend. Es geht um sortenreine Filterkaffees, die traditionell geröstet eine Aromavielfalt haben, die in Deutschland noch kaum bekannt ist. Diese „dritte Welle des Kaffees“ wird einen Markt kreieren, den ich in der Größe nur schätzen kann. Wenn er so groß wird wie er in den USA geworden ist, sprechen wir von 20% des Marktes – dann werden wir kein Problem mit einer Skalierung haben. Mit Wachstum ist immer ein gewisser Verlust des „Kükenbonus“ verbunden, aber wir werden unsere Marke, vor allem unsere Kommunikation, nicht ändern. Transparenz und Authentizität werden auch im Wachstum dafür sorgen, dass wir glaubwürdig bleiben. Da mache ich mir keine Sorgen. Dennoch, von der Menge her werden wir nie ein Tchibo werden, aber das wollen wir auch gar nicht. Wenn wir auch nur ca. 1/30 des Kaffeeumsatzes von Tchibo machen, können wir pro Jahr 1 Million Euro in Äthiopien investieren, mehr als es jedes Siegel tut. Ich finde wirklicher Impact ist hier wichtiger als schiere Größe und Profit. Uns zumindest.

Ihr habt ein breites Angebot an Kaffeekultur-Produkten in Eurem Online-Shop. Welche Rolle spielen bei der Auswahl der Produkte neben dem Geschmack Kriterien wie ökologisch und gesellschaftlich verantwortliche Produktion etc.?
Wir lieben unsere Zusatzprodukte. Sie sind sorgfältig ausgewählt in Bezug auf Qualität. Viele unserer Partner kennen wir persönlich, d.h. die Gründer der Firmen. Wir vertrauen ihnen. Dennoch, eine 100%ige Kontrolle ist hier nicht möglich. Hier sprechen wir unseren Kunden aber auch entsprechende Mündigkeit zu und kommunizieren auch ehrlich, was wir über unsere Zusatzprodukte wissen. Aber unser Fokus in Bezug auf Nachhaltigkeit und deren Kommunikation bleibt der Kaffee.

…zum Thema “David zeigt dem Goliath”
Euer Geschäftsmodell wird nicht nur in Kaffee-Kreisen hoch gelobt. Wie reagieren die etablierten Kaffeeriesen auf Euch?
Bisher verhalten. Sie haben alle schon einmal bei uns bestellt, teilweise richtig viel. Aber die Gefahr, dass uns jemand kopiert mit unserem Modell, sehe ich mittelfristig nicht. Wie soll ein großer Röster, der seit Jahren erzählt, dass er die „besten Bohnen der Welt“ oder „vollendet veredelten Spitzenkaffee“ für 5 Euro das Pfund verkauft, glaubhaft erzählen, dass es nun doch einen noch viel besseren für 13 Euro gibt – das ist ein langwieriger Prozess. Und manche, so wie Tchibo letztes Jahr an Weihnachten, versuchen schlicht den sozialen Aspekt zu kopieren, indem sie selbst Projekte vor Ort machen. Sie haben jedoch nicht verstanden, dass es das eben nicht alleine ist. Es geht eben um das gesamte Konzept, was unsere Marke mit einschließt. Und die ist grundlegend anders positioniert als Tchibo. Aber wir werden weiter gespannt auf Reaktionen warten.

…zur dritten Kaffee-Welle
Ihr versteht Euch als Teil der Third Coffee Wave, einer Bewegung, die aus den USA zunehmend zu uns hinüber schwappt. Könnt Ihr kurz beschreiben, was es mit dieser Welle auf sich hat?
Ein paar Worte habe ich dazu ja bereits verloren. Es geht nach der „ersten Welle“, den billigen Blends aus dem Supermarkt seit den 60ern, und der „zweiten Welle“ mit mediterraner Kaffeekultur, ihrem starken Espressoeinfluss und den Starbucks dieser Welt nun um die „third wave of coffee“. Die New York Times hat diesen Trend vor wenigen Wochen auf Nummer 2 der 32 Innovationen gesetzt, die unsere Zukunft verändern werden. Es geht um die Rückbesinnung auf den Filterkaffee, aber hohe Qualitäten, d.h. unterschiedlichen Geschmack aufgrund unterschiedlicher Herkunftsländer, mehr sortenreine Kaffees, d.h. Kaffees aus engen geografischen Einheiten wie z.B. Kaffeekooperativen in bestimmten Regionen Äthiopiens. Man kann sich die Geschmacksvielfalt vielleicht besser vorstellen, wenn man weiß, dass Wein um die 400 Geschmacksaromen hat und Kaffee um die 800. Kaffee hat rein auf Basis der Aromen eine noch viel stärkere Möglichkeit der geschmacklichen Diversifikation. Diese Grundlage führt in Kombination mit deutlich kürzerer Röstung der Bohnen zu Kaffees, wie sie in Deutschland fast niemand kennt. So drückte das die NYTimes aus: “ … roasters to make coffee that tastes like Seville oranges or toasted almonds or berries, and that sense of experimentation is trickling down to the mass market.“ Und genau auf dieser Welle surfen wir.

Ist Deutschland überhaupt bereit für guten Filterkaffee?
Die Voraussetzungen sind denkbar schlecht. „Wir Deutschen“ geben im Vergleich extrem wenig Geld für Lebensmittel aus. Der Einzelhandel wie auch der Röstkaffeemarkt wird von ALDI und LIDL dominiert. ALDI ist Deutschlands größter Kaffeeröster. Das spricht schon für sich. Ein Großteil der Deutschen schaut bei Lebensmitteln auf den Preis, nicht auf die Qualität. Das macht uns natürlich auch zu schaffen. Denn wir zahlen für das Pfund Rohkaffee in Äthiopien z.T. deutlich mehr als das Pfund gerösteter Kaffee in Deutschland im Supermarkt kostet.
Auf der anderen Seite gibt es im Foodmarket ebenfalls einen klaren Trend in Richtung nachhaltiger Produkte. Konsumenten möchten zunehmend wissen, woher ihre Lebensmittel kommen und dass sie unter guten Bedingungen angebaut wurden. Das spielt uns natürlich in die Karten. Und sobald Menschen unseren Kaffee einmal probiert haben, wollen sie in der Regel nicht mehr zurück. Das merken wir an unseren Wiederkaufraten.

Vielen Dank an Martin für die Antworten!

2 thoughts on “Interview mit Martin von Coffee Circle

  1. Ich finde die Idee sehr gut und hoffe, dass sich das Konzept durchsetzen wird. Wir Deutschen achten wirklich nur auf den Preis und nicht auf die Qualität, was in anderen Ländern wie Frankreich oder Italien undenkbar ist.
    Ich wünsche den Dreien alles Gute!

  2. Hi Anusha! Ja, leider zählt in Sachen Ernährung für den Großteil der Deutschen immer noch vor allem der billige Preis. Mein Eindruck ist jedoch, dass sich das gaaaanz langsam ändert und der Aspekt Qualität und Geschmack vielen immer wichtiger wird. Wie Martin im Interview schon sagte, bewegt sich endlich was, und die Konsumenten werden kritischer, was die ökologischen und sozialen Herstellungsbedingungen ihrer Nahrung angeht…es besteht also Hoffnung 🙂

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