Newsletter der SRZG (29.11.2006)

1.) 100 Abgeordnete bringen Antrag fuer Generationengerechtigkeits-Klausel
im Grundgesetz in den Bundestag ein
2.) SRzG schreibt Generationengerechtigkeits-Preis (10.000 Euro) zum Thema
>Generation Praktikum< aus 3.) Ausgabe 21 der Zeitschrift GG! >Abschied vom Oel?< (dt.-franz. Ausgabe) 4.) Dokumentation des Demografie-Symposiums, November 2006
1.) 100 ABGEORDNETE BRINGEN ANTRAG FUER GENERATIONENGERECHTIGKEITS-KLAUSEL
IM GRUNDGESETZ IN DEN BUNDESTAG EIN
Am 10.11.2006 haben 100 Abgeordnete einen Gesetzentwurf fuer
Generationengerechtigkeit im Grundgesetz eingebracht. Dies ist natuerlich
zuallererst das Verdienst der Abgeordneten selbst, aber ohne die SRzG gaebe
es diesen Antrag auch nicht. Drei Jahre lang – seit Herbst 2003 – hat sie
innerhalb und ausserhalb des Parlaments fuer diese Sache gekaempft. Sie hat
tausende Unterschriften gesammelt, 14 Workshops mit Abgeordneten
veranstaltet und auch sonst an jeder Front Lobbyarbeit betrieben, bis die
erste Huerde genommen werden konnte. Der nun vorliegende Gesetzentwurf
(Drucksache 16/3399) wird von je 27 Abgeordneten der Unionsfraktion und der
SPD, sowie von 25 Abgeordneten der Gruenen und 21 FDP-Abgeordneten
mitgetragen. Durch einen neuen Artikel 20b soll der Staat verpflichtet
werden, die Interessen kuenftiger Generationen besser zu schuetzen. Der Text
lautet: >> Der Staat hat in seinem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit zu
beachten und die Interessen kuenftiger Generationen zu schuetzen.<< Zudem soll in der Finanzverfassung Artikel 109 um eine zukunftsorientierte Komponente erweitert werden, um die Staatsverschuldung einzuschraenken. Wie geht es nun weiter? Kein Gesetz kommt aus dem parlamentarischen Beratungsverfahren so heraus, wie es eingebracht wurde. Mit der ersten Lesung ist in ein bis zwei Monaten zu rechnen, dann wird der Gesetzentwurf vermutlich in den Rechtsausschuss ueberwiesen. Nach Anhoerungen dort kommt es schliesslich zur zweiten und dritten Lesung und zur Abstimmung. Damit ist aber erst Ende 2007 zu rechnen. Aus Sicht der SRzG ist vor allem der zweite Teil des Vorschlags, die Reform der Verschuldungsordnung durch Artikel 109, zu zaghaft. Aus ihrer Sicht muss vor allem die Ausnahmeklausel fuer die Verschuldungsobergrenze in Artikel 115 abgeschafft werden. Sogar Minister bringen forschere Vorschlaege als die jungen Abgeordneten. Bundeswirtschaftsminister Glos (CSU) fordert, dass Bund und Laender eine Obergrenze von 3 Prozent Neuverschuldung in ihre Verfassungen einbauen, aber langfristig ausgeglichene Haushalte anstreben (SPIEGEL 46/2006, S. 102). Bundesfinanzminister Steinbrueck (SPD) will eine Nettokreditaufnahme nur noch aus konjunkturellen Gruenden zulassen und somit einen strukturell ausgeglichenen Haushalt gewaehrleisten (SPIEGEL 26/2006, S. 48). Zwar sind solche Vorschlaege wohlfeil, solange ein Politiker nur kurz in den Medien erscheinen will, aber keine Taten folgen laesst. Aber immerhin wird eine Stimmung erzeugt, die es wahrscheinlicher macht, dass bei den parlamentarischen Beratungen von Drucksache 16/3399 endlich die Finanzverfassung reformiert und ein Leben auf Kosten kuenftiger Generationen erschwert wird. Was koennen Sie tun? 1.) Schauen sie sich zunaechst das Gesetz und die Liste der Antragsteller im Internet an: http://dip.bundestag.de/btd/16/033/1603399.pdf

2.) Wenn der Abgeordnete ihres Wahlkreises den Gesetzentwurf unterschrieben
hat, schreiben Sie ihm einen Brief oder eine E-Mail, in dem Sie ihm Mut
machen, den eingeschlagenen Weg noch konsequenter als bisher weiterzugehen.

3.) Wenn ihr Abgeordneter den Gesetzentwurf nicht unterschrieben hat, so
fordern sie ihn auf, seine Meinung im Interesse kommender Generationen zu
aendern.

Gute Argumente finden Sie in der SRzG-Studie 1/2006, welche auch die
Forderungen der SRzG praezisiert:
http://www.srzg.de/ndeutsch/download/SRzG-StudieNr.1_2006.pdf

Um diese deutsche Initiative junger Abgeordneter in den internationalen
Kontext einzuordnen, hat die SRzG das englischsprachige Handbook of
Intergenerational Justice herausgegeben (Edward Elgar Publishing, siehe
http://www.srzg.de/english/i_u1.htm). Darin schildern Autoren aus
Frankreich, Israel, Ungarn und Malta, wie ihre Laender
Generationengerechtigkeit institutionell verankert haben. Ein wichtiges
Buch, das schon viel Lob bekommen hat (siehe Flyer in der Anlage).

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2.) SRzG SCHREIBT GENERATIONENGERECHTIGKEITS-PREIS (10.000 Euro) ZUM THEMA
>GENERATION PRAKTIKUM< AUS Fuer ihren 4. Generationengerechtigkeits-Preis 2007/2008 hat die SRzG folgendes Thema gewaehlt: Seit jeher haben unterschiedliche Jahrgaenge unterschiedliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn allerdings eine Ungleichbehandlung durch das Arbeitsrecht vorliegt, so ist schnell die Grenze zur Altersdiskriminierung erreicht. Spaetestens seit dem Generalstreik im Maerz 2006 in Frankreich gegen eine Verschlechterung des Kuendigungsschutzes fuer Untersechsundzwanzigjaeh­rige ist der Protest der Jugend auf diese Frage fokussiert. In Frankreich bezeichnen sich die jungen Hochschulabsolventen als >Generation Kleenex<, in Deutschland scheint die >Generation Praktikum< jahre­lang in unbezahlten Praktika ackern zu muessen, bevor sie - manchmal - eine Festanstellung be­kommt. Auch unterschiedliche Loehne fuer Neueinsteiger und Alteingessene treten gehaeuft auf. Seit dem letzten Tarifabschluss muessen bei Volkswagen neu eingestellte Mitar­beiter exakt die­selbe Arbeit verrichten wie die bereits etablierten - fuer 20 Prozent weniger Lohn. In dem Preis werden zwei Themenkomplexe angesprochen, die beide das Generationenverhaeltnis auf dem Arbeitsmarkt betreffen: 1.) Die schwierige Generation der Hochschulabgaenger, die als Generation Praktikum bezeichnet wird. Anders als Jugendliche ohne Ausbildungsplatz befindet sich diese Generation bereits in Unternehmen, aber sie wird dort schlechter behandelt als aeltere Arbeitnehmer. 2.) Die Ungleichbehandlung von Jung und Alt im Arbeitsleben nach einer Festanstellung durch Senioritaetsprinzip, nach Alter gestaffelte Urlaubstage, Arbeitszeit- und Kuendigungsschutzregelungen. In Frankreich ist die generation precarite laengst ein wissenschaftliches Forschungsobjekt, in Deutschland gibt es auch zunehmend Nachwuchswissenschaftler, die sich mit dem >Prekariat< aus Generationenperspektive beschaeftigen. Bis Jahresende soll die Jury feststehen, die Ausschreibung beginnt im Fruehjahr 2007. Fuer Hinweise auf Materialien zum Thema und auch moegliche Juroren sind wir dankbar. Einfach eine email an info@srzg.de senden.

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3.) AUSGABE 21 DER ZEITSCHRIFT GenerationenGerechtigkeit! >ABSCHIED VOM
OEL – EINE CHANCE FUER DIE ERNEUERBAREN ENERGIEN?< Die Welt ist suechtig nach Oel - und wie die meisten Suchtkranken schert sie sich wenig um die langfristigen Folgen ihres Verhaltens. Koennten zukuenftige Generationen waehlen, so wuerden wir innerhalb von wenigen Jahrzehnten unser Energiesystem auf erneuerbare Energien umstellen und fossilen Energietraegern Lebewohl sagen. Aber die Zukunft hat eben keine Stimme. Daher bleibt nur zu hoffen, dass die junge Generation, die in 60 Jahren die Folgen heutiger Kurzsichtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes auszubaden hat, zusammen mit engagierten Aelteren genug Handlungsdruck aufbauen kann, um eine generationengerechte Energieversorgung zu verwirklichen. Wie aber koennte eine Entziehungskur praktisch aussehen? Damit beschaeftigt sich die naechste Ausgabe der GenerationenGerechtigkeit!, die sich somit mal wieder einem oekologischen Thema widmet. Sie erscheint diesmal zweisprachig auf Deutsch und Franzoesisch. Beitraeger sind Experten und Politiker aus beiden Laendern, u.a. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Der Blick ueber den Rhein offenbart viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige Meinungsunterschiede, gerade im Hinblick auf die Atomenergie. Prof. Francis Meunier (Conservatoire national des arts et métiers) und Prof. Christine Meunier Castelain (Centre national de la recherche scientifique) skizzieren eine heute schon technisch moegliche Revolution in der Energieproduktion. Ein Kennzeichen vieler erneuerbarer Energien ist ihre Dezentralitaet. Wer heute noch ausschliesslich Energieverbraucher ist, koennte in Zukunft selbst zum Energie-Produzenten, ja sogar zum Energie-Exporteur werden. Erneuerbare Energien, Blockheizkraftwerke und Brennstoffzellen koennten vor allem der Landbevoelkerung ermoeglichen, Elektrizitaet zu produzieren und sie in das Netz einzuspeisen. Wenn sich die Landwirte auch als Energiewirte verstaenden, so koennten sie von der gigantischen Rendite, die heute noch wenige Konzerne einfahren, profitieren. Philippe Copinschi, Experte fuer internationale Oelbeziehungen am l'Institut d'Etudes politiques de Paris (Sciences Po), beleuchtet die geopolitischen Implikationen der Abhaengigkeit vom Erdoel. Von allen Guetern ist Erdoel zur Zeit dasjenige, das am ehesten ueber die Faehigkeit eines Landes entscheidet, andere Gueter herzustellen. Kein Wunder, dass sich die reichen Nationen den Nachschub dieses immer knapper werdenden Rohstoffes dauerhaft sichern wollen. Die Ressource Erdoel ist aber geografisch auf nur wenige Laender verteilt, die somit fuer die Importeure USA, Europa und China von besonderer Bedeutung sind - ein Interessengeflecht, das Copinschi naeher beleuchtet. Die weiteren Artikel beschaeftigen sich mit der Frage, ob das Ende des Erdoels nicht eher die Atomenergie als die Erneuerbaren befluegelt. Zunaechst befasst sich Sebastian Kluesener, Doktorand am Institut fuer Kulturgeographie der Universitaet Freiburg und langjaehriger Resident in der Ukraine, mit den Lehren, die aus der Havarie von Tschernobyl vor 20 Jahren zu ziehen sind. In einem Pro-Contra-Disput diskutieren anschliessend Christian Woessner, Bereichsleiter fuer Presse und Politik beim Deutschen Atomforum, und Gerhard Schmidt vom Oeko-Institut. Dabei betont Woessner, dass ohne die Kernenergie ueber Kyoto hinausgehende nationale CO2-Reduktionsziele nicht zu erreichen seien. Fuer Schmidt stoesst die Nutzung der Atomkraft dagegen an wirtschaftliche, technische und vor allem gesellschaftliche Grenzen. Zahlreiche Rezensionen v.a. franzoesischer Buecher zum Thema sowie ein Bericht von einer Energiekonferenz in Kanada runden das Heft ab. Alle SRzG-Mitglieder und Abonennten erhalten die Zeitschrift, die natuerlich auf FSC-Papier gedruckt wurde, bis Weihnachten mit der Post. ------------------------------------- 4.) DOKUMENTATION DES DEMOGRAFIE-SYMPOSIUMS, November 2006 Am 6. und 7. November 2006 veranstaltete die Stiftung fuer die Rechte zukuenftiger Generationen (SRzG) zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung ein internationales Symposium zu dem Thema >Demographic change,
intergenerational justice and the implementation of long-term thinking<. Ziel dieser Veranstaltung war, Wissenschaftler und Abgeordnete aus Deutschland und dem europaeischen Ausland an einen Tisch zu bringen, so dass sich diese zu Themen des Demografischen Wandels und der Generationengerechtigkeit austauschen konnten. Unter den rund 30 Teilnehmern vor Ort - Veranstaltungsort war die Bertelsmann-Repraesentanz in Berlin - waren renommierte Experten wie Prof. Dr. James Vaupel (Direktor des Max Planck Instituts für Demographische Forschung, Rostock), Prof. Dr. Wolfgang Lutz (Director of the Vienna Institute of Demography) und Dr. Thomas Lindh (Institute for Future Studies, Stockholm) anzutreffen, sowie 16 weitere Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen. Hinzu kamen zehn Abgeordnete aus Deutschland sowie aus dem europaeischen Ausland. Thematisch war die Veranstaltung in vier Bloecke gegliedert. Im ersten Block stellten Demografie-Experten die aktuellen demografischen Trends in Europa und weltweit dar. Daran schloss sich ein zweiter Block an, in welchem sich die Teilnehmer mit den Auswirkungen des Demografischen Wandels auf Bereiche wie den Arbeitsmarkt, das Gesundheitssystem oder das Personalmanagement beschaeftigten. Am zweiten Tag lag der Fokus der Veranstaltung auf dem Thema Generationengerechtigkeit. So sprach etwa R. Andreas Kraemer (Ecologic, Berlin) über Generationenbilanzen, waehrend Prof. Dr. Lukas Meyer (Universitaet Bern) sich mit dem Thema Generationengerechtigkeit aus philosophischer Perspektive auseinandersetzte. Der letzte Block beschaeftigte sich mit der politischen Verankerung und Umsetzung von Generationengerechtigkeit. Hierzu berichteten Abgeordnete aus Deutschland, Belgien, Oesterreich, England, Finnland und Malta ueber ihre jeweiligen Erfahrungen und bestehende Herausforderungen. Alle Vortraege und Diskussionen wurden aufgenommen und werden in Kuerze als Podcast auf der Homepage der Bertelsmann-Stiftung zum Download zur Verfuegung stehen. Des weiteren koennen die Interessierten unter Ihnen auf den Symposiumsband gespannt sein, der in den naechsten Monaten erscheinen wird. Neben den Symposiumsbeitraegen werden noch weitere Beitraege zu dem Thema >Demographic change, intergenerational justice and the implementation
of long-term thinking< hinzukommen. Im Rahmen des Symposiums fand am Abend des 6.11. zudem ein RBB-IZT-Zukunftsgespraech zum Thema >Generationengerechtigkeit – muss die
Verfassung geaendert werden?< statt, zu der auch die breite Oeffentlichkeit eingeladen war. Vor "vollem Haus" - es waren ueber hundert Interessierte Zuschauer gekommen - diskutierten Anna Luehrmann (Buendnis 90/Gruene), Cornelia Hirsch (Linkspartei.PDS), Dr. Ole Wintermann (Bertelsmann Stiftung) und Prof. Dr. Rolf Kreibich (IZT) auf dem Podium. In einer zum Teil hitzigen Debatte - vor allem zwischen den beiden Abgeordneten - wurde ueber eine moegliche Verfassungsaenderung diskutiert. --------------- Stiftung fuer die Rechte zukuenftiger Generationen Postfach 5115 D-61422 Oberursel Tel: +49-(0) 61 71 - 98 23 67 Fax: +49-(0) 61 71 - 95 25 66 E-Mail: info@srzg.de
Homepage: www.srzg.de

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