1.) 100 Abgeordnete bringen Antrag fuer Generationengerechtigkeits-Klausel
im Grundgesetz in den Bundestag ein
2.) SRzG schreibt Generationengerechtigkeits-Preis (10.000 Euro) zum Thema
>Generation Praktikum< aus
3.) Ausgabe 21 der Zeitschrift GG! >Abschied vom Oel?< (dt.-franz. Ausgabe)
4.) Dokumentation des Demografie-Symposiums, November 2006
1.) 100 ABGEORDNETE BRINGEN ANTRAG FUER GENERATIONENGERECHTIGKEITS-KLAUSEL
IM GRUNDGESETZ IN DEN BUNDESTAG EIN
Am 10.11.2006 haben 100 Abgeordnete einen Gesetzentwurf fuer
Generationengerechtigkeit im Grundgesetz eingebracht. Dies ist natuerlich
zuallererst das Verdienst der Abgeordneten selbst, aber ohne die SRzG gaebe
es diesen Antrag auch nicht. Drei Jahre lang – seit Herbst 2003 – hat sie
innerhalb und ausserhalb des Parlaments fuer diese Sache gekaempft. Sie hat
tausende Unterschriften gesammelt, 14 Workshops mit Abgeordneten
veranstaltet und auch sonst an jeder Front Lobbyarbeit betrieben, bis die
erste Huerde genommen werden konnte. Der nun vorliegende Gesetzentwurf
(Drucksache 16/3399) wird von je 27 Abgeordneten der Unionsfraktion und der
SPD, sowie von 25 Abgeordneten der Gruenen und 21 FDP-Abgeordneten
mitgetragen. Durch einen neuen Artikel 20b soll der Staat verpflichtet
werden, die Interessen kuenftiger Generationen besser zu schuetzen. Der Text
lautet: >> Der Staat hat in seinem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit zu
beachten und die Interessen kuenftiger Generationen zu schuetzen.<< Zudem
soll in der Finanzverfassung Artikel 109 um eine zukunftsorientierte
Komponente erweitert werden, um die Staatsverschuldung einzuschraenken.
Wie geht es nun weiter? Kein Gesetz kommt aus dem parlamentarischen
Beratungsverfahren so heraus, wie es eingebracht wurde. Mit der ersten
Lesung ist in ein bis zwei Monaten zu rechnen, dann wird der Gesetzentwurf
vermutlich in den Rechtsausschuss ueberwiesen. Nach Anhoerungen dort kommt
es schliesslich zur zweiten und dritten Lesung und zur Abstimmung. Damit ist
aber erst Ende 2007 zu rechnen.
Aus Sicht der SRzG ist vor allem der zweite Teil des Vorschlags, die Reform
der Verschuldungsordnung durch Artikel 109, zu zaghaft. Aus ihrer Sicht muss
vor allem die Ausnahmeklausel fuer die Verschuldungsobergrenze in Artikel
115 abgeschafft werden.
Sogar Minister bringen forschere Vorschlaege als die jungen Abgeordneten.
Bundeswirtschaftsminister Glos (CSU) fordert, dass Bund und Laender eine
Obergrenze von 3 Prozent Neuverschuldung in ihre Verfassungen einbauen, aber
langfristig ausgeglichene Haushalte anstreben (SPIEGEL 46/2006, S. 102).
Bundesfinanzminister Steinbrueck (SPD) will eine Nettokreditaufnahme nur
noch aus konjunkturellen Gruenden zulassen und somit einen strukturell
ausgeglichenen Haushalt gewaehrleisten (SPIEGEL 26/2006, S. 48). Zwar sind
solche Vorschlaege wohlfeil, solange ein Politiker nur kurz in den Medien
erscheinen will, aber keine Taten folgen laesst. Aber immerhin wird eine
Stimmung erzeugt, die es wahrscheinlicher macht, dass bei den
parlamentarischen Beratungen von Drucksache 16/3399 endlich die
Finanzverfassung reformiert und ein Leben auf Kosten kuenftiger Generationen
erschwert wird.
Was koennen Sie tun?
1.) Schauen sie sich zunaechst das Gesetz und die Liste der Antragsteller im
Internet an: http://dip.bundestag.de/btd/16/033/1603399.pdf
2.) Wenn der Abgeordnete ihres Wahlkreises den Gesetzentwurf unterschrieben
hat, schreiben Sie ihm einen Brief oder eine E-Mail, in dem Sie ihm Mut
machen, den eingeschlagenen Weg noch konsequenter als bisher weiterzugehen.
3.) Wenn ihr Abgeordneter den Gesetzentwurf nicht unterschrieben hat, so
fordern sie ihn auf, seine Meinung im Interesse kommender Generationen zu
aendern.
Gute Argumente finden Sie in der SRzG-Studie 1/2006, welche auch die
Forderungen der SRzG praezisiert:
http://www.srzg.de/ndeutsch/download/SRzG-StudieNr.1_2006.pdf
Um diese deutsche Initiative junger Abgeordneter in den internationalen
Kontext einzuordnen, hat die SRzG das englischsprachige Handbook of
Intergenerational Justice herausgegeben (Edward Elgar Publishing, siehe
http://www.srzg.de/english/i_u1.htm). Darin schildern Autoren aus
Frankreich, Israel, Ungarn und Malta, wie ihre Laender
Generationengerechtigkeit institutionell verankert haben. Ein wichtiges
Buch, das schon viel Lob bekommen hat (siehe Flyer in der Anlage).
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2.) SRzG SCHREIBT GENERATIONENGERECHTIGKEITS-PREIS (10.000 Euro) ZUM THEMA
>GENERATION PRAKTIKUM< AUS
Fuer ihren 4. Generationengerechtigkeits-Preis 2007/2008 hat die SRzG
folgendes Thema gewaehlt:
Seit jeher haben unterschiedliche Jahrgaenge unterschiedliche Chancen auf
dem Arbeitsmarkt. Wenn allerdings eine Ungleichbehandlung durch das
Arbeitsrecht vorliegt, so ist schnell die Grenze zur Altersdiskriminierung
erreicht. Spaetestens seit dem Generalstreik im Maerz 2006 in Frankreich
gegen eine Verschlechterung des Kuendigungsschutzes fuer
Untersechsundzwanzigjaehrige ist der Protest der Jugend auf diese Frage
fokussiert. In Frankreich bezeichnen sich die jungen Hochschulabsolventen
als >Generation Kleenex<, in Deutschland scheint die >Generation Praktikum<
jahrelang in unbezahlten Praktika ackern zu muessen, bevor sie - manchmal -
eine Festanstellung bekommt. Auch unterschiedliche Loehne fuer
Neueinsteiger und Alteingessene treten gehaeuft auf. Seit dem letzten
Tarifabschluss muessen bei Volkswagen neu eingestellte Mitarbeiter exakt
dieselbe Arbeit verrichten wie die bereits etablierten - fuer 20 Prozent
weniger Lohn.
In dem Preis werden zwei Themenkomplexe angesprochen, die beide das
Generationenverhaeltnis auf dem Arbeitsmarkt betreffen:
1.) Die schwierige Generation der Hochschulabgaenger, die als Generation
Praktikum bezeichnet wird. Anders als Jugendliche ohne Ausbildungsplatz
befindet sich diese Generation bereits in Unternehmen, aber sie wird dort
schlechter behandelt als aeltere Arbeitnehmer.
2.) Die Ungleichbehandlung von Jung und Alt im Arbeitsleben nach einer
Festanstellung durch Senioritaetsprinzip, nach Alter gestaffelte
Urlaubstage, Arbeitszeit- und Kuendigungsschutzregelungen.
In Frankreich ist die generation precarite laengst ein wissenschaftliches
Forschungsobjekt, in Deutschland gibt es auch zunehmend
Nachwuchswissenschaftler, die sich mit dem >Prekariat< aus
Generationenperspektive beschaeftigen. Bis Jahresende soll die Jury
feststehen, die Ausschreibung beginnt im Fruehjahr 2007. Fuer Hinweise auf
Materialien zum Thema und auch moegliche Juroren sind wir dankbar. Einfach
eine email an info@srzg.de senden.
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3.) AUSGABE 21 DER ZEITSCHRIFT GenerationenGerechtigkeit! >ABSCHIED VOM
OEL – EINE CHANCE FUER DIE ERNEUERBAREN ENERGIEN?<
Die Welt ist suechtig nach Oel - und wie die meisten Suchtkranken schert sie
sich wenig um die langfristigen Folgen ihres Verhaltens. Koennten
zukuenftige Generationen waehlen, so wuerden wir innerhalb von wenigen
Jahrzehnten unser Energiesystem auf erneuerbare Energien umstellen und
fossilen Energietraegern Lebewohl sagen. Aber die Zukunft hat eben keine
Stimme. Daher bleibt nur zu hoffen, dass die junge Generation, die in 60
Jahren die Folgen heutiger Kurzsichtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes
auszubaden hat, zusammen mit engagierten Aelteren genug Handlungsdruck
aufbauen kann, um eine generationengerechte Energieversorgung zu
verwirklichen.
Wie aber koennte eine Entziehungskur praktisch aussehen? Damit beschaeftigt
sich die naechste Ausgabe der GenerationenGerechtigkeit!, die sich somit mal
wieder einem oekologischen Thema widmet. Sie erscheint diesmal zweisprachig
auf Deutsch und Franzoesisch. Beitraeger sind Experten und Politiker aus
beiden Laendern, u.a. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Der Blick ueber
den Rhein offenbart viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige
Meinungsunterschiede, gerade im Hinblick auf die Atomenergie.
Prof. Francis Meunier (Conservatoire national des arts et métiers) und Prof.
Christine Meunier Castelain (Centre national de la recherche scientifique)
skizzieren eine heute schon technisch moegliche Revolution in der
Energieproduktion. Ein Kennzeichen vieler erneuerbarer Energien ist ihre
Dezentralitaet. Wer heute noch ausschliesslich Energieverbraucher ist,
koennte in Zukunft selbst zum Energie-Produzenten, ja sogar zum
Energie-Exporteur werden. Erneuerbare Energien, Blockheizkraftwerke und
Brennstoffzellen koennten vor allem der Landbevoelkerung ermoeglichen,
Elektrizitaet zu produzieren und sie in das Netz einzuspeisen. Wenn sich die
Landwirte auch als Energiewirte verstaenden, so koennten sie von der
gigantischen Rendite, die heute noch wenige Konzerne einfahren, profitieren.
Philippe Copinschi, Experte fuer internationale Oelbeziehungen am l'Institut
d'Etudes politiques de Paris (Sciences Po), beleuchtet die geopolitischen
Implikationen der Abhaengigkeit vom Erdoel. Von allen Guetern ist Erdoel zur
Zeit dasjenige, das am ehesten ueber die Faehigkeit eines Landes
entscheidet, andere Gueter herzustellen. Kein Wunder, dass sich die reichen
Nationen den Nachschub dieses immer knapper werdenden Rohstoffes dauerhaft
sichern wollen. Die Ressource Erdoel ist aber geografisch auf nur wenige
Laender verteilt, die somit fuer die Importeure USA, Europa und China von
besonderer Bedeutung sind - ein Interessengeflecht, das Copinschi naeher
beleuchtet.
Die weiteren Artikel beschaeftigen sich mit der Frage, ob das Ende des
Erdoels nicht eher die Atomenergie als die Erneuerbaren befluegelt.
Zunaechst befasst sich Sebastian Kluesener, Doktorand am Institut fuer
Kulturgeographie der Universitaet Freiburg und langjaehriger Resident in der
Ukraine, mit den Lehren, die aus der Havarie von Tschernobyl vor 20 Jahren
zu ziehen sind. In einem Pro-Contra-Disput diskutieren anschliessend
Christian Woessner, Bereichsleiter fuer Presse und Politik beim Deutschen
Atomforum, und Gerhard Schmidt vom Oeko-Institut. Dabei betont Woessner,
dass ohne die Kernenergie ueber Kyoto hinausgehende nationale
CO2-Reduktionsziele nicht zu erreichen seien. Fuer Schmidt stoesst die
Nutzung der Atomkraft dagegen an wirtschaftliche, technische und vor allem
gesellschaftliche Grenzen.
Zahlreiche Rezensionen v.a. franzoesischer Buecher zum Thema sowie ein
Bericht von einer Energiekonferenz in Kanada runden das Heft ab.
Alle SRzG-Mitglieder und Abonennten erhalten die Zeitschrift, die natuerlich
auf FSC-Papier gedruckt wurde, bis Weihnachten mit der Post.
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4.) DOKUMENTATION DES DEMOGRAFIE-SYMPOSIUMS, November 2006
Am 6. und 7. November 2006 veranstaltete die Stiftung fuer die Rechte
zukuenftiger Generationen (SRzG) zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung ein
internationales Symposium zu dem Thema >Demographic change,
intergenerational justice and the implementation of long-term thinking<.
Ziel dieser Veranstaltung war, Wissenschaftler und Abgeordnete aus
Deutschland und dem europaeischen Ausland an einen Tisch zu bringen, so dass
sich diese zu Themen des Demografischen Wandels und der
Generationengerechtigkeit austauschen konnten. Unter den rund 30 Teilnehmern
vor Ort - Veranstaltungsort war die Bertelsmann-Repraesentanz in Berlin -
waren renommierte Experten wie Prof. Dr. James Vaupel (Direktor des Max
Planck Instituts für Demographische Forschung, Rostock), Prof. Dr. Wolfgang
Lutz (Director of the Vienna Institute of Demography) und Dr. Thomas Lindh
(Institute for Future Studies, Stockholm) anzutreffen, sowie 16 weitere
Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen. Hinzu kamen zehn Abgeordnete
aus Deutschland sowie aus dem europaeischen Ausland.
Thematisch war die Veranstaltung in vier Bloecke gegliedert. Im ersten Block
stellten Demografie-Experten die aktuellen demografischen Trends in Europa
und weltweit dar. Daran schloss sich ein zweiter Block an, in welchem sich
die Teilnehmer mit den Auswirkungen des Demografischen Wandels auf Bereiche
wie den Arbeitsmarkt, das Gesundheitssystem oder das Personalmanagement
beschaeftigten. Am zweiten Tag lag der Fokus der Veranstaltung auf dem Thema
Generationengerechtigkeit. So sprach etwa R. Andreas Kraemer (Ecologic,
Berlin) über Generationenbilanzen, waehrend Prof. Dr. Lukas Meyer
(Universitaet Bern) sich mit dem Thema Generationengerechtigkeit aus
philosophischer Perspektive auseinandersetzte. Der letzte Block
beschaeftigte sich mit der politischen Verankerung und Umsetzung von
Generationengerechtigkeit. Hierzu berichteten Abgeordnete aus Deutschland,
Belgien, Oesterreich, England, Finnland und Malta ueber ihre jeweiligen
Erfahrungen und bestehende Herausforderungen.
Alle Vortraege und Diskussionen wurden aufgenommen und werden in Kuerze als
Podcast auf der Homepage der Bertelsmann-Stiftung zum Download zur
Verfuegung stehen. Des weiteren koennen die Interessierten unter Ihnen auf
den Symposiumsband gespannt sein, der in den naechsten Monaten erscheinen
wird. Neben den Symposiumsbeitraegen werden noch weitere Beitraege zu dem
Thema >Demographic change, intergenerational justice and the implementation
of long-term thinking< hinzukommen.
Im Rahmen des Symposiums fand am Abend des 6.11. zudem ein
RBB-IZT-Zukunftsgespraech zum Thema >Generationengerechtigkeit – muss die
Verfassung geaendert werden?< statt, zu der auch die breite Oeffentlichkeit
eingeladen war. Vor "vollem Haus" - es waren ueber hundert Interessierte
Zuschauer gekommen - diskutierten Anna Luehrmann (Buendnis 90/Gruene),
Cornelia Hirsch (Linkspartei.PDS), Dr. Ole Wintermann (Bertelsmann Stiftung)
und Prof. Dr. Rolf Kreibich (IZT) auf dem Podium. In einer zum Teil hitzigen
Debatte - vor allem zwischen den beiden Abgeordneten - wurde ueber eine
moegliche Verfassungsaenderung diskutiert.
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